27 Nov

Die Humboldt reloaded-Summer School für Bachelorstudierende – international, interdisziplinär und forschungsnah

An der Universität Hohenheim werden seit Jahren Summer Schools für Masterstudierende angeboten, organisiert vor allem durch das Netzwerk der Euroleague for Life Sciences und das BECY-Netzwerk, in enger Zusammenarbeit mit dem Akademischen Auslandsamt. Seit der 2. Förderphase des von Bund und Ländern finanzierten Qualitätspakt-Lehre-Projektes „Humboldt reloaded: Wissenschaftspraxis von Anfang an“ gibt es auch eine Summer School für Bachelorstudierende in Hohenheim.

Forschungsnah, international, interdisziplinär

Humboldt reloaded steht als allererstes für forschungsnahe Lehre und studentische Forschungsprojekte im Grundstudium. Das Format der Summer School ist für Bachelorstudierende eine neue Umsetzung, bei der auch das Interesse der Universität internationaler zu werden mit einbezogen wird. So kann durch Studierende anderer Hochschulen und Länder, die zu einer Summer School nach Hohenheim kommen, bei den Hohenheimer Studierenden auch das Interesse für einen Auslandsaufenthalt geweckt und die Lust, Sprachen zu lernen, verstärkt werden. Neben dem internationalen und forschungsnahen Charakter der Humboldt reloaded-Summer School werden nacheinander die drei Querschnittsthemen der Universität Hohenheim – Gesundheitswissenschaften, Bioökonomie sowie globale Ernährungssicherung und Ökosystemforschung – interdisziplinär aufgegriffen.

Veranstaltungsformat und Konzeption

Die zwei bisherigen Summer Schools fanden an acht Tagen in einem Zeitraum von 10 Tagen (zwei Wochenendtage stehen zur freien Gestaltung) mit Referenten und bis zu 25 Teilnehmern aus 10 verschiedenen Ländern und unterschiedlichen Fachrichtungen statt. Je eine übergeordnete Forschungsfrage zog sich durch das Programm. Dazu gab es Schlüsselfragen, die bei der interdisziplinären Annäherung an das jeweilige Leitthema als Kompass fungierten. Noch vor Beginn der Summer Schools sollten sich die Teilnehmenden selbst ein Unterthema passend zum Leitthema suchen oder ein von der Summer School-Leitung vorgeschlagenes wählen und dazu ein Poster selbstständig erarbeiten. Während der Summer Schools gab es dann die Präsentationen der Poster – immer den naheliegenden Vorträgen und Diskussionen zugeordnet, Laborarbeiten, Exkursionen und auch einen Workshop, in dem reflektiert wurde, wie man sich selbst zu einem wissenschaftlich arbeitenden, forschenden Menschen entwickelt und mit emotional herausfordernden Situationen umgeht oder umgehen kann. Darüber hinaus erhielten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer ein Begleitheft mit dem Programm der einzelnen Tage, Zitaten der Referenten zum Leitthema, Reflexionsaufgaben und Platz für Notizen zu allen Vorträgen. Mit all diesen Elementen und dem dazugehörenden Arbeitsaufwand ist die Humboldt reloaded-Summer School für Hohenheimer Bachelorstudierende mit 4 ECTS-Punkten, 120 Arbeitsstunden entsprechend, in einem Wahlmodul anrechenbar.

Jahr Thema der Summer School
2017 Health Sciences
2018 Is health nature or nurture? Bridging WHO recommendation and evidence based research in alcoholism, depression and nutrition.
2019 How is Bioeconomy going to shape our world?

Rahmen

Die Konzeption einer internationalen, interdisziplinären und forschungsnahen Summer School in einem interdisziplinären Team ist sehr wichtig, sodass keine einseitige Beleuchtung des Leitthemas vorgenommen wird, sondern aus verschiedenen Fachrichtungen Expertise eingebracht wird. Die Lehr- und Lernziele, die übergeordneten Forschungsfragen, die Schlüsselfragen und das jeweilige Programm stammen aus der gemeinsamen Teamarbeit. Auch das Programm mit den Themen und Referenten wurde interdisziplinär aufgebaut. Der Aufwand dafür ist größer als bei „normalen“ Vorlesungen, allerdings ist der Output (u.a. Inspiration für weitere Lehrveranstaltungen, neue Forschungskontakte, motivierte Studierende) auch wesentlich größer. Didaktisch herausfordernd ist es, die Studierenden an ihrem aktuellen Wissenstand und in ihrer Unterschiedlichkeit abzuholen und mitzunehmen, sie nicht zu über- oder unterfordern und die Lehreinheiten so aufeinander abzustimmen, dass die Inhalte für alle verständlich sind und kein Wissen vorausgesetzt wird. Ein Methodenmix mit vielen interaktiven Elementen und eine klare Leitfragen-Struktur sind wichtig, da ein ganzer Tag voller neuer Informationen doch dazu führen kann, dass die Konzentration nachlässt. Es ist auch wichtig, die Heterogenität der Gruppe als Gewinn für alle hervorzuheben, bei dem jeder vom Anderen etwas Bestimmtes lernen kann. Dafür wurden viele Möglichkeiten geboten, angefangen von der Vorstellungrunde, über Namensschilder, gemeinsame Pausen und Ausflüge innerhalb und außerhalb des Programms, immer wieder intensive Kleingruppenarbeit, die gemeinschaftliche Erstellung und Präsentation der Poster und Reflexionsrunden zu den Schlüsselfragen, bis hin zu einem gemeinsamen Abschlussessen. Dabei haben sich die Studierenden schnell auch selbst untereinander organisiert.

 

Das interaktive Lehr-Lernkonzept, die interdisziplinäre Ausrichtung und Zusammensetzung der Summer Schools fanden auch großen Zuspruch bei den Referenten, die sich über die Motivation und die rege Teilnahme der Studierenden freuten. So kam es, dass sie auch neue Informationen zu den Herkunftsländern der Studierenden erhielten oder auch Praktikaplätze an ihren Institutionen anboten.

Immer wieder Anregungen zur Reflexion

Die Studierenden erhielten anfangs eine Einführung in die Systematik der Schlüsselfragen, die alle in Verbindung zur übergeordneten Forschungsfrage standen und auf alle Sessions der Summer School bezogen werden konnten. In der Ergebnissicherung am Ende der Summer School wurden die Studierenden angeregt, sich die Schlüsselfragen in Kleingruppen noch einmal anzuschauen und zu versuchen sie zu beantworten. Dadurch konnten Gemeinsamkeiten zwischen den Themen und auch interdisziplinäre Lösungen für die Fragen gefunden werden. Überhaupt konnte auf diese Weise überprüft werden, welchen Wissenszuwachs die Studierenden über die Summer School hinweg erhalten hatten.

Schlüsselfragen der Summer School 2018: What is health? Which factors support or hinder physical, emotional, and mental health? How to diagnose, prevent and treat alcoholism, depression and nutrition-related disorders? How do WHO recommendations comply with evidence based realities?

Neben den Schlüsselfragen und auch Klebepunktabfragen wurden zu Beginn Definitionen verglichen und es wurde versucht, anhand des eigenen Verständnisses Definitionen zu erstellen. Während der Auswertungsphase am Ende der Summer School  wurden die Teilnehmer gebeten, noch einmal ihre Definition durchzulesen und zu ergänzen. In der anschließenden Diskussion zeigte sich, wie abhängig die Definitionen weiterhin vom eigenen Fachgebiet und dem Informationshintergrund sind.

Brillen-Metapher: Wie sieht die Welt aus, wenn wir sie durch die Brille eines Wirtschaftswissenschaftlers anschauen? Was sieht ein Biologe? Und was sieht ein Mensch, der beide Brillen zu einer verschmilzt?

Um die Summer School forschungsnah zu gestalten, wurden die Referenten gebeten, die neuesten Forschungsergebnisse in ihre Vorträge einfließen zu lassen und mit den Studierenden wichtige Etappen eines Forschungsprozesses zu durchlaufen. So wurden z.B. Forschungsfragen formuliert und diskutiert, Herausforderungen bei der Datenerhebung behandelt und wissenschaftliche biologische Laborversuche durchgeführt. Aber auch die Reflexion des eigenen Lern- und Forschungsprozesses bildete ein wichtiges Element. Dafür wurden am ersten Tag die emotionalen Abläufe während eines Lern- oder Forschungsprozesses vorgestellt. In einem Selbstexperiment konnten die Studierenden täglich ihren emotionalen Prozess während der Summer School im Begleitheft aufschreiben und sich dadurch und auch während des zusätzlichen Workshops darüber klar werden, wie sie mit emotional herausfordernden Situationen umgehen und welche weiteren Umgangsmöglichkeiten es noch gibt.

Lessons Learned

Es gelang den Studierenden zu vermitteln, wie sinnvoll die Arbeit in einem interdisziplinären Team ist und dass es sich immer wieder lohnt, außerhalb der eigenen Perspektive zu schauen („outside the box“). So erkannten beispielsweise Studierende der Ernährungswissenschaften, dass sich auch die Wirtschaftswissenschaftler/innen mit Themen wie Übergewicht oder anderen Ernährungsproblemen beschäftigen, jedoch ökonomische Modelle anwenden. Das öffnete ihnen die Augen dafür, dass andere Ansätze in Kombination mit denen ihres eigenen Faches zu einer umfassenderen Lösung ihrer Forschungsfrage führen konnten. Wichtige Punkte, die für die Planung der Summer Schools festgehalten werden, sind:

  • Für interdisziplinäres Angebot braucht es ein interdisziplinäres Orga-Team, Sprecher aus verschiedenen Bereichen und übergreifende Schlüsselfragen
  • Gute Basis für Gruppenstimmung legen, die vielen Unterschiede der Teilnehmer als Wert neues zu lernen hervorheben und dann der Gruppe Räume geben, sich selbst zu organisieren
  • Referenten auch in informelle Programmteile einbeziehen, um Austausch zwischen ihnen und Studierenden zu erleichtern
  • Interaktive Elemente, abwechslungsreiche Methoden im Programm, um Konzentration stabil zu halten, Interaktion ist besonders wichtig nach der Mittagspause
  • Immer wieder Reflexionsschleifen einlegen, um Zusammenhänge herstellen und Wissenszuwachs erkennen zu können

Für die Vorbereitung der dritten Humboldt reloaded-Summer School werden Hohenheimer Studierende aus drei verschiedenen Fachrichtungen einbezogen, um die Gestaltung des Programms noch mehr an den Interessen der Studierenden auszurichten. How is Bioeconomy going to shape our world?

Dieser Didaktikblogbeitrag wurde in Zusammenarbeit mit den Planerinnen der Humboldt reloaded-Summer Schools Vanessa-Emily Schoch, Dr. Judith Lauvai, Dr. Evelyn Reinmuth und Dr. Cornelia Frank und auf Basis ihrer Auskünfte erstellt.