02 Okt

Peer-Teaching: Erfahrungen und Konzeptentwicklung nach 3 Semestern

Gastbeitrag von Bettina Bürkin

Peer-Teaching-Seminar im Sommersemester 2017. Foto: Astrid Untermann, Universität Hohenheim

Hintergrund & Team

Mit der 2. Förderperiode des Projektes Humboldt reloaded entstand die Idee, ein weiteres Lehr- und Lernformat zu auszuprobieren, bei dem Studierende selbst in die Lehre eingebunden werden. Die Grundgedanken waren 1) Studierende dafür zu motivieren, sich mehr in den Lehrveranstaltungen zu beteiligen, 2) den Studierenden durch den Perspektivenwechsel vom Lernenden zum Lehrenden einen neuen Blick für die eigene Studiensituation bzw. das eigene Studienverhalten zu schaffen und 3) durch Vermitteln des eigenen Wissens nachhaltigeres Lernen zu erzielen. Unterstützend und begleitend sollten erfahrene HR-Teilnehmer als gleichaltrige oder ebenbürtige sogenannte „Peer-Teacher“ in Humboldt reloaded-Seminare integriert werden.

Die Entwicklung des Peer-Teaching-Konzeptes und die Durchführung darauf angepasster Pilot-Seminare übernahm der Lehrstuhl für Dienstleistungsmanagement von Prof. Dr. Hadwich. Studentische Hilfskräfte unterstützen dabei vor allem mit wertvollen Kompetenzen und mit ihrer Studierendenperspektive. So wurden für die „pädagogische Brille“ Wirtschaftspädagogikstudierende in der Anfangsphase der Konzeptentwicklung eingebunden und für das 3. Seminar eine Teilnehmerin des 2. Peer Teaching-Seminars.

Was ist Peer-Teaching überhaupt?

Unter Peer-Teaching lassen sich, je nach Betrachtung und Ziel, verschiedene Begriffe und Ansätze zusammenfassen. Die Betrachtung dieser verschiedenen Konzepte ist notwendig, um die Fülle der Möglichkeiten, die Peer-Teaching bietet, zu erfassen und passende Ansätze für den eigenen Kontext zu identifizieren. „Tutoring“ und „Coaching“ stellen hier die gängigsten, „Class Wide Peer-Tutoring“ oder „Peer Assisted Learning Strategies“[1] elaboriertere Begrifflichkeiten dar, die die unterschiedlichen Rollen der Peers näher betrachten. Die Methoden und Einsatzmöglichkeiten des Peer-Teaching sind entsprechend vielfältig und können sowohl in einer Großveranstaltung als auch bei kleineren Veranstaltungen oder auch Beratungsangeboten genutzt werden.

  • Eric Mazurs Konzept der „Peer-Instruction“[2] zielt auf das gegenseitig unterstützte Lernen in Großveranstaltungen ab.
  • Die Universitäten Tübingen[3] und Frankfurt[4] bieten Schreibberatungen (als Peer-Turoring) und Beratungen rund um Fragen der Studienorganisation (Peer-Mentoring) von Studierenden für Studierende an

Gemein ist allen Ansätzen jedoch der Gedanke des kooperativen Lernens, bei dem sich die „Peers“ (griech. Gleichgestellte oder Ebenbürtige) mit ihren unterschiedlichen Wissensschwerpunkten und Kompetenzen beim Wissens- und Kompetenzerwerb ergänzen. Peers durchlaufen in diesem Prozess ganz unterschiedliche Rollen. Sie sind Lernender und gleichzeitig Lehrender, Arbeitspartner oder Coach, Feedbackgeber und -empfänger. Sie profitieren dabei durch die unterschiedlichen Perspektiven der jeweils anderen und erfahren gleichzeitig eine positive Selbstwahrnehmung und Selbstwirksamkeit durch Erfolgserlebnisse in der Wissensvermittlung. Gleichzeitig zielt Peer-Teaching auch darauf ab, Verhaltensweisen und Kompetenzen wie Teamfähigkeit, Kommunikation und Selbständigkeit zu stärken.

Peer-Teaching-Seminar im Sommersemester 2017. Foto: Astrid Untermann, Universität Hohenheim

Bisherige Entwicklung und erste Erfahrungen

Peer-Teaching im Rahmen von Humboldt reloaded zielt auf die Entwicklung eines entsprechenden Seminarkonzeptes – also für kleinere Veranstaltungen[5] – ab. Seit dem ersten Humboldt reloaded-Seminar mit Peer-Teaching-Charakter im Sommersemester 2017 wurden zwei weitere Seminare dieser Art und mit dem Ziel der Weiterentwicklung des Konzeptes durchgeführt. Im Rahmen dieser Veranstaltungen wurde auf den Erfahrungen der Lehrenden und der Lernenden aus dem vorangegangenen Semester aufgebaut und neue Ansätze ausprobiert. Lag der Peer-Teaching-Schwerpunkt des ersten Seminares noch auf der gegenseitigen Unterstützung der Seminarteilnehmer beim Kompetenzerwerb (bspw. durch Feedback bei Präsentationstraining), wurde im darauffolgenden Semester zusätzlich die Perspektive höhersemestriger Studierender hinzugenommen und Peer-Teaching somit auf verschiedene Peer-Gruppen ausgeweitet. Im Rahmen der einzelnen Workshops sollten sich die Seminarteilnehmer untereinander bei ihren Ausarbeitungen unterstützen (bspw. durch Gegenseitiges Feedback zur Gliederung und Textausschnitten, World-Café Methode zur Diskussion über unterschiedliche Themenbereiche und zu berücksichtigende Schnittstellen). Zudem wurden in einem weiteren Workshop Masterstudierende eingebunden (ähnl. „Cross-Age Peer Tutoring[6]“), um ihre Erfahrungen im Konzeptions- und Schreibprozess, aber auch in Gruppenarbeiten weiterzugeben. Für das im Sommersemester 2018 durchgeführte Seminar konnte eine ehemalige Seminarteilnehmerin gewonnen werden, die das gesamte Seminar über den neuen Seminarstudierenden für Fragen rund um das Koordinieren und Schreiben der ersten Seminararbeit zur Verfügung stand und in den einzelnen Seminarworkshops regelmäßig eingebunden wurde.

Um Peer-Teaching oder einzelne Elemente dessen in der eigenen Lehrveranstaltung umzusetzen, wurde aus den bisher angewandten Methoden und einzelnen Workshop-Konzepten ein erster Methodenkasten zusammengestellt. Dieser soll bei der Umsetzung von Peer-Teaching Ansätzen in der eigenen Lehrveranstaltung Orientierung und Anleitung bieten und beinhaltet einen ersten Leitfaden für studentische Peer-Teacher.

Beispiel für Planungshilfe aus dem Methodenkasten

Zwischenstand der Konzeptentwicklung

Bisher zeigte sich, dass der Mehrwert von Peer-Teaching-Elementen zur Förderung des gegenseitigen Fortschritts unterschiedlich bewertet wurde. Der Austausch mit anderen wurde von den Studierenden grundsätzlich als positiv bewertet, der damit verbundene Arbeits- und Zeitaufwand jedoch kritisch gesehen. Die Einbindung höhersemestriger Studierender für den Austausch zur Arbeitsorganisation und zum Schreibprozess fand dann wiederum großen Anklang bei den Seminarteilnehmenden. Für die Organisation der Peer-Teaching-Seminare besteht die Herausforderung gerade in der Gewinnung ehemaliger Seminarteilnehmer als Peer-Teacher. Da die Studierenden in der Regel bereits in den Endzügen ihres Studiums sind, fehlt hier bspw. die Zeit als Peer-Teacher selbst tätig zu werden. Gleichzeitig bergen neue Seminarthemen und Forschungsmethoden Herausforderungen für die Entwicklung eines „Universal-Leitfadens“ für die Peer-Teacher. Je nach bisher selbst besuchtem Seminar bestehen unterschiedliche methodische und auch inhaltliche Anforderungen an Peer-Teacher, womit auch zur Konzeption des Seminars selbst wiederum ein Vorbereitungsaufwand für das Peer-Teaching hinzukommt. Zudem gilt es noch eine stimmige Balance zwischen Peer-Teaching und Eigenverantwortung der Seminarteilnehmer für ihre Leistung zu finden.

Wie geht es nun weiter?

Da vor allem der Einbezug höhersemestriger Studierender großen Anklang fand, arbeiten wir an der Weiterentwicklung dieses Elementes. Hier stellen vor allem die Gewinnung von Peer-Teachern und deren Belohnung die nächsten Entwicklungspunkte dar, dann das Finden einer stimmigen Peer-Teacher-Rolle mit ihren Aufgaben, die im Gleichgewicht mit der noch zu erbringenden Eigenleistung der Seminarteilnehmer stehen. Aber auch die weitere Ausgestaltung unseres Methodenkastens mit Leitfäden und Peer-Teaching-Modulen soll weiter vorangetrieben werden. Darüber hinaus ist geplant, den Einsatz von Peer-Teaching auf andere Lehrstühle und Fakultäten auszuweiten und bei der Weiterentwicklung weitere Blickwinkel mit einzubeziehen.

Das bisher entstandene Peer-Teaching-Konzept für Humboldt reloaded ist auf der Online-Plattform ILIAS für alle Universitätsangehörigen abrufbar.

[1] https://study.com/academy/lesson/peer-tutoring-definition-pros-cons.html

[2] Mazur, E. (2006). Peer Instruction: Wie man es schafft, Studenten zum Nachdenken zu bringen. Praxis der Naturwissenschaften; Physik in der Schule, 4(55), 11-15.

[3] https://uni-tuebingen.de/fakultaeten/philosophische-fakultaet/fachbereiche/neuphilologie/deutsches-seminar/studium/studienberatung/peer-mentoring.html

[4] http://www.uni-frankfurt.de/43054447/Peer-Tutoren—Schreibberatung.pdf?

[5] Die Teilnehmerzahl der Seminare lag bei 9-15 Studierenden, die in 2-4er Gruppen ihre Themen bearbeiteten.

[6] https://study.com/academy/lesson/peer-tutoring-definition-pros-cons.html