Wie kann kompetenzorientiertes Prüfen in forschungsbezogener Lehre gelingen? Ein Tagungs- und Werkstattbericht
Am 17.11.2017 fand die Tagung „Integrierte Evaluation der Hochschullehre – Förderung und Prüfung von Forschungskompetenzen in der Hochschullehre“ von regional vernetzten Projekten aus dem Qualitätspakt Lehre statt, zu der sich 54 Teilnehmer/innen der Universität Freiburg, Pädagogischen Hochschule Freiburg, Pädagogischen Hochschule Heidelberg und Universität Hohenheim und einige Gäste angemeldet hatten.
Tagung zu Integrierter Evaluation sowie Förderung und Prüfung von Forschungskompetenzen in der Hochschullehre
Christopher Gess und Monika Sonntag von der Humboldt Universität zu Berlin führten in ihrem gemeinsamen Vortrag „Förderung und Prüfung von Forschungskompetenzen in der forschungsbezogenen Hochschullehre“ in einen thematischen Schwerpunkt der Tagung ein. Sie dimensionierten „forschungsbezogen“ anhand der Kriterien „Inhaltlicher Schwerpunkt“ (Forschungsergebnisse, Forschungsmethoden, Forschungsprozess) und „Aktivitätsniveau der Studierenden“ (forschend, anwendend, rezeptiv) und stellten die Ergebnisse einer Umfrage von Janina Thiem von der Universität Oldenburg mit 39 Lehrenden zur Prüfung von Forschungskompetenzen vor.
Im anschließenden Vortrag „Additive und integrierte Evaluation der (interdisziplinären) Hochschullehre“ umriss Wolfgang Beywl von der Pädagogischen Hochschule FHNW das zweite Tagungsthema, indem er einleitend die fünf Dimensionen von Qualität und die hochschulischen Evaluationsgegenstände und passenden Evaluationstypen wie auch die variierenden Zielsetzungen und methodischen Designs von summativer und formativer Evaluation aufzeigte. Die integrierte formative Lehrevaluation, die von Lehrenden selbst entwickelt und durchgeführt wird, kontextualisierte Wolfgang Beywl zunächst mit dem Bedingungs-Effekt-Modell nach Rindermann und dem Angebots-Nutzungsmodell nach Helmke und Hattie. Wolfgang Beywl erläuterte das 5-Schritte-Verfahren von „Luuise“ (Lehrende unterrichten und untersuchen integriert, sichtbar und effektiv), das er mit Hanne Bestvater und Verena Friedrich für Hochschule und Schule und entwickelt und bisher in 500 Einzelprojekten umgesetzt hat.
In den am Nachmittag gestalteten vier Werkstätten konnten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer die Tagungsthemen vertiefen und in Bezug zu ihren eigenen Zugängen und Vorgehensweisen setzten. Neben den bereits genannten Referenten und der Referentin gestalteten Christine Menzer von der PH Freiburg und Anita Pachner von der Universität Tübingen gemeinsam eine Werkstatt, in der ebenfalls die praxisorientierte Selbstevaluation der Hochschullehre mit dem Ziel der kontinuierlichen Verbesserung von Lehr-Lernprozessen im Mittelpunkt stand. Im Weiteren soll die Werkstatt zum kompetenzorientierten Prüfen genauer beschrieben werden.
Werkstatt zum kompetenzorientierten Prüfen
Werkstattleiterin Dr. Monika Sonntag vom bologna.lab der HU Berlin begann die Werkstatt mit einem kurzen theoretischen Vortrag, in dem sie zuerst auf das Constructive Alignment, dem konstruktiven Abgleichen verwies. Um kompetenzorientiert prüfen zu können, müssen erst einmal jene Kompetenzen definiert werden, welche in der forschungsorientierten Lehre vermittelt werden sollen. Als mögliche Kompetenzgruppen nannte das bologna.lab Fachkompetenzen, kognitive Forschungskompetenzen, affektiv-motivationale Forschungskompetenzen, Schlüsselkompetenzen, Sozial- und Selbstkompetenzen. Mit der Klarheit, welche Kompetenzen vermittelt werden sollen, können im nächsten Schritt die SMARTen (sinnvolle, messbare, attraktive, realistische, terminierte) Lernziele der Lehre festgelegt werden und hiervon auch jene Kompetenzen ausgewählt werden, die geprüft werden sollen. Erst dann kommt die Wahl einer passenden Prüfungsform. Neben der Unterscheidung von schriftlichen, mündlichen und praktischen Prüfungsformen wurde auch zwischen summativen, mit benoteten Leistungen auf Grundlage von Lernzielen und Bewertungskriterien, und formativen Prüfungsformen, in denen der Lernprozess begleitet wird und sich Fehler nicht auf die Benotung auswirken, hingewiesen. Förderlich für den Weg der Lehrenden von den Kompetenzen zur Prüfungsform sei es zusätzlich, die Anforderungen und Bewertungskriterien zu klären und sie transparent gegenüber den Studierenden zu kommunizieren.
Dr. Janina Thiem, Mitarbeiterin des Projekts FLiF, von der Universität Oldenburg hatte den Workshop maßgeblich mit vorbereitet und so auch Ergebnisse einer Befragung von 39 Lehrenden zur Prüfung von Forschungskompetenzen eingebracht. In der Umfrage von Dr. Janina Thiem gaben Lehrende der Universität Oldenburg und der Humboldt-Universität zu Berlin an, dass sie alle genannten Kompetenzen prüfen wollen, vor allem Forschungskompetenz, Reflexionskompetenz, fachliche Kompetenzen, selbständiges Arbeiten und analytische Fähigkeiten, außer jedoch Frustrationstoleranz und Ungewissheitstoleranz. Diese beiden Kompetenzen sollten ihrer Meinung nach gelernt, aber nicht explizit geprüft werden. Für alle Kompetenzen wurden von den Befragten überwiegend die klassischen Prüfungsformate Seminar-/Hausarbeit, Ergebnispräsentation und Projektbericht gewählt. Nachrangige Rollen spielten Referate und mündliche Prüfungen, keine Rolle spielten Klausuren. Obwohl nur zwei Lehrende sie als geeignete forschungsorientierte Prüfungsformate angaben, hoben sich drei prozessbegleitende Formate durch ihren Schwerpunkt auf kognitive Forschungskompetenzen und den teilweisen Bezug zu affektiv-motivationalen Kompetenzen besonders hervor: das Portfolio, das Protokoll und das wissenschaftliche Exposé für einen Forschungsantrag oder -projekt. Poster scheinen gegenüber Hausarbeiten eher geeignet zu sein, Ungewissheits- und Frustrationstoleranz zu fördern, wahrscheinlich weil sie als spielerischere Form der Ergebnisdarstellung interpretiert werden.
Die Workshopteilnehmer diskutierten anschließend über geeignete Prüfungsformen ihrer Fachbereiche. Dabei kristallisierte sich heraus, dass es bei der Wahl auch um die Lernkultur der Studierenden gehe. An anderer Stelle der Werkstatt wurde über die Bewertungskriterien nachgedacht, wobei die Frage auftauchte, wie bei Gruppenleistungen individuelle Bewertungen vergeben werden können. Hier kam der Hinweis auf peer-to-peer-Feedbacks sehr zu Hilfe. Denn indem Studierende die Leistungen ihrer Mitstudierenden bewerten, können gemeinsam transparente und faire Kriterien zur Leistungsprüfung erarbeitet werden. Auch von Katalogen zu Bewertungskriterien aus anderen Fächern könne Inspiration für die eigene Lehre und in Austausch mit Kollegen mehr Orientierung gewonnen werden.
Das abschließende Plenum zur Tagung zielte auf ein Resümee der in den Werkstätten gewonnenen Erkenntnisse und der offen gebliebenen Fragen. Aus der Werkstatt zum kompetenzorientierten Prüfen Forschenden Lernens wurde vor allem der Hinweis zum Peer-Feedback als Tipp mitgenommen, als Fragen offen blieben u.a. Wie schaffe ich valide Prüfungsergebnisse in heterogenem Setting? Wie kann eine gerechte Prüfung von Reflexions- und Forschungskompetenz aussehen?
Die Tagung war die dritte im Rahmen des Netzwerkes zu interdisziplinärer und forschungsorientierter Hochschullehre in Baden-Württemberg. 2014 fand an der PH Freiburg der erste hochschulübergreifende Praxisaustausch mit Werkstattcharakter zum Thema „Forschungsorientiertes und interdisziplinäres Lehren“ statt. 2015 folgte die „Werkstatt zu interdisziplinärer Lehre und Forschung: Praxisbeispiele, Ideenfindung, Planung“ an der Uni Hohenheim.
Text von Julia Gerstenberg (Humboldt reloaded, Uni Hohenheim) und Dr. Senganata Münst (Tandem-Teaching ♦ IntegraL-TT, PH Freiburg)