02 Jul

Feuer und Flamme! Eine Orientierung für motiviertes Studieren

Gastbeitrag von Dr. Karin Hartung

„Na, was willst du denn werden, wenn Du groß bist?“ ist eine Frage, die uns in Kindertagen gestellt wird. Kurz vor Ende unserer schulischen Laufbahn sollen wir sie beantworten, zumeist ohne Methoden zur Selbsterforschung an die Hand bekommen zu haben. Denn in der Schule steht Wissensvermittlung im Zentrum, Selbsterforschung sprengt meist den Rahmen. Um am Gymnasium das Abitur zu erhalten, ist es wichtig, eine Fülle an Inhalten abzuspeichern und sie für die jeweils zugehörige Klausur abrufen zu können. Da der Stoff danach meist nicht mehr benötigt wird, bedeutet effizientes Lernen, herauszufinden, welches Wissen prüfungsrelevant ist, und dieses Wissen kurzfristig zu speichern und punktgenau abrufen zu können. Lerninhalte sind ihrerseits durch ein Curriculum vorgegeben und orientieren sich nicht an den Interessen, Bedürfnissen und Fähigkeiten der individuellen Schülerinnen und Schüler. Diese können nur in begrenztem Rahmen, z.B. bei Wahlfächern, ihre Interessen einbringen.

Seit einiger Zeit wird an Schulen und Hochschulen ein Paradigmen­wechsel gefordert: Weg von frontalen Vorlesungen mit „Lernbulimie“ hin zu forschungsorientiertem Lernen. Forschendes Lernen setzt Neugierde und Kreativität voraus. Aber woher soll ich, als Student, plötzlich die Neugierde, die intrinsische Motivation nehmen? In den Jahren zuvor war das nicht gefragt. Woher soll ich wissen, wofür ich mich interessiere, wenn das bisher nicht von Belang war? Und woher soll ich wissen, wie ich herausfinde, was ich kann, was mich interessiert, wenn es mir keiner vorgelebt, keiner gezeigt hat?
Vor dieses Problem stellt der Paradigmenwechsel Studierende. Und ebenso fordert er Lehrende heraus, sich mit neuen Methoden der Lehre auseinanderzusetzen, diese umzusetzen und Studierende in diese neue Lehr- und Lernform mit ihren Anforderungen mitzunehmen: Wie kann ich Formate forschenden Lernens anbieten, wenn bei den Studierenden andere Erwartungen vorherrschen? Wie kann ich intrinsische Motivation bei Studierenden erzeugen? Wie kann man Studierende entzünden, dass sie ganz Feuer und Flamme für ein Thema sind?

Ziele

Das Seminar „Feuer und Flamme – Die eigene Forschungsfrage finden“ gibt Studierenden Raum, Zeit und Methoden, damit Sie für sich eine geeignete Forschungs­frage finden können. Diese Frage deckt dann zum einen die eigenen Interessenbereiche größtenteils ab und kann zum anderen als Orientierung für das weitere Studium dienen, ggf. bis hin zur Bachelorarbeit. Ist das Ziel des eigenen Interesses identifiziert, trägt dieses zur Motivation bei und ermöglicht auch Unliebsames auf dem Weg dorthin zu überwinden. Das können z.B. Vorlesungen sein, deren Sinnhaftigkeit einem im Kontext des eigenen Studiums verborgen bleibt.

Daneben zeigt das Seminar den Teilnehmenden auch strukturelle Optionen auf, z.B. Schwerpunkt- oder Studiengangwechsel, die bisher vielleicht nicht in Betracht gezogen wurden, und unterstützt bei der weiteren Entscheidungsfindung. Im Prozess des Forschungs­frage-Findens werden den Studierenden Methoden an die Hand gegeben, die es ermöglichen, diesen Prozess jederzeit selbstständig zu wiederholen. Und sie werden explizit aufgefordert, auch später immer wieder zu überprüfen, ob das „Ergebnis“ noch stimmt, oder ob Korrekturen vorgenommen werden sollten. Darüber hinaus sollen die Studierenden Selbstwirksamkeit erleben und wahrnehmen, dass sie ihr Studium aktiv gestalten können, Eigeninitiative und Frustrations­toleranz vorausgesetzt. Das Seminar soll als Einstieg in die Forschung an der Hochschule sowie als Anstoß für ein zielgerichtetes Studieren mit eigenen Themenschwerpunkten dienen und Studierende dazu motivieren, eigene Interessen in ihrem Studium umzusetzen. Im Verlauf des Seminars setzen sich die Studierenden intensiv mit dem eigenen Ich auseinander, gehen auf eine Reise zu und durch die eigene Persönlichkeit, um die eigenen Fähigkeiten, Fertigkeiten und Interessen zu entdecken und mehr über sie zu erfahren. Diese Reflexion findet nicht nur während der Präsenzzeit statt, sondern ist ein kontinuierlicher Prozess, der mal mehr, mal weniger bewusst abläuft und über den Seminarzeitraum hinauswirkt.

Durchführung

Eine Gruppe von mindestens sechs Studierenden trifft sich viermal in ein- bis zweiwöchigem Abstand für zwei bis vier Stunden. Die teilnehmenden Studierenden können aus unterschiedlichen Studiengängen und Fakultäten kommen. Heterogenität oder Homogenität der Gruppen hinsichtlich Semesterzahl, Studienfach, Vorwissen etc. spielen eine untergeordnete Rolle.

Kurzüberblick über das Seminar „Feuer & Flamme“
Allgemein

  • Umfang: 4 Tage à 2-4 Stunden.
  • Arbeit im Plenum, in unterschiedlich großen Kleingruppen (ca. 2-6 Personen) und Einzelarbeit.
  • Es werden an Tag 1 bis 3 Hausaufgaben gestellt, ohne die der Folgetermin nicht sinnvoll genutzt werden kann.
  • Der Erfolg/Nutzen des Seminars für den einzelnen Studierenden ist davon abhängig wie weit sich der Studierende auf das Seminar einlässt. => Vertrauensvolle Atmosphäre und gutes Arbeitsklima in der Gruppe sind wichtig.
  • Tipp: Studierende sollten Ergebnisse der Übungen und ihnen persönlich wichtige Erkenntnisse auf einem farbigen DIN A4 Zettel festhalten.

Termin 1 (kürzester Termin)

  • Vorstellungsrunde! Wichtig für Arbeitsklima.
  • Vorstellung aller Seminarinhalte „Feuer & Flamme“
  • Übertragbare Fähigkeiten: 20 Titel von Erfolgsgeschichten
  • Reise durch die Hochschule
  • Hausaufgabe Erfolgsgeschichten

Termin 2

  • Auswerten der „Erfolgsgeschichten“ (Hausarbeit-Fähigkeiten).
  • Die drei wichtigsten Fähigkeiten ermitteln
  • Überleitung zu Fertigkeiten.
  • Hausaufgabe Fertigkeiten

Termin 3 (längster Termin)

  • Auswerten der Hausaufgabe Fertigkeiten
  • Die drei wichtigsten Fertigkeiten ermitteln
  • Erarbeiten der Interessen
  • Die drei wichtigsten Interessen ermitteln
  • Interessen überprüfen: „Synonyme“ finden
  • Forschungsfrage formulieren: „Interessen-Synthese“
  • Hausaufgaben: Recherche zur Forschungsfrage

Termin 4 (möglichst >14 Tag später)

  • Präsentation der Rechercheergebnisse
  • Kleingruppen (ähnlichen Themen) zur gegenseitigen Unterstützung über das Seminar hinaus bilden.

Effekt des Seminars

Das Seminar vermittelt wie wichtig es ist, sich seiner eigenen Fähigkeiten, Fertigkeiten und Interessen bewusst zu werden. Es schafft Klarheit und Ideen, wie die persönlichen Interessen mit dem Studium verbunden werden können und stellt Werkszeug zur Verfügung, um eine Forschungsfrage zu finden und Entscheidungen abzuwägen. Vermittelt wird strukturiertes Herangehen an eine Aufgabe (Forschungsfrage finden) ebenso wie das Abstimmen einer Aufgabenstellung auf die eigenen Stärken so wie die Unterscheidung von Wichtigem und Unwichtigem und das Setzen von Prioritäten. All dies sind Grundlagen, um im Studium das zu finden, was einem Freude bereitet und daher bestmöglich erarbeitet werden kann. Das eigene Studienziel kann mit den vermittelten Methoden immer wieder überprüft werden. Aus Dozentensicht bietet das Seminar zusätzlich die Möglichkeit, Präsentations- und Kommunikationstechniken zu vermitteln. Darüber hinaus hilft das Seminar den Studierenden, sich optimal auf die Auswahl eines Themas z.B. ihrer Abschlussarbeit vorzubereiten und gezielt nach Partnern oder Firmen zur Unterstützung dieser Arbeit bzw. nach potentiellen Arbeitgebern für das spätere Berufsleben zu suchen.

Das Seminar beruht auf Teilen des Buchs „Durchstarten zum Traumjob“ von Richard Nelson Bolles (2009). Es wird jedes Semester im Rahmen des Großprojektes „Humboldt reloaded“ semesterbegleitend angeboten und ist für alle Studierenden offen. Angemeldet werden kann sich immer zu Semesterbeginn im Rahmen der Bewerbung zu Humboldt reloaded-Projekten.

Kontakt

Dr. agr. Karin Hartung (mittlerweile nicht mehr in Hohenheim tätig), Email: hartung [at] uni-hohenheim.de