09 Aug

Bericht zur nexus-Tagung „Kompetenzorientiert Prüfen“

Foto: Universität Hohenheim/Oskar Eyb

Foto: Universität Hohenheim/Oskar Eyb

Das Projekt „nexus – Übergänge gestalten, Studienerfolg verbessern“ der HRK hat sich die Optimierung der Studieneingangsphase, die Förderung der Mobilität während des Studiums sowie den Übergang in das Beschäftigungssystem als Schwerpunkte gesetzt. In diesem Zusammenhang fand zu einem der Kernthemen – dem kompetenzorientierten Prüfen – am 12. Juli 2016 eine Tagung an der Universität Duisburg-Essen statt.

Der Vortrag von Dr. Christoph Schindler der TUM School of Education zum Projekt „Herausforderung Prüfen“ lieferte zu Beginn eine klar umrissene Konzeption darüber, wie der Kompetenzbegriff im Projektkontext aufgefasst wurde und wie davon ausgehend ein Gesamtpaket aus kompetenzorientierter Lehre, Aufgaben und Prüfungen entstehen kann. Ziel des Projekts war es, nach einer eingehenden Analyse des Ist-Zustands der Prüfungskultur an der TU München, Lehrende innerhalb eines Programms darin zu unterstützen, Lernziele aus den vorhandenen Modulbeschreibungen zu verbessern und davon ausgehend inhaltsvalide Aufgabentypen mit entsprechenden Bewertungsrastern zu entwickeln. Da es bislang zum kompetenzorientierten Prüfen nur wenige empirische Befunde gibt, drängt sich eine intensive Betrachtung des Prüfverhaltens von Lehrenden und Lernenden förmlich auf und liefert folglich auch interessante Auskünfte über die Realität: insbesondere der zeitliche Aspekt, also wie viel – oder vielmehr – wie wenig Zeit wenden Lehrende für die Erstellung von Prüfungsaufgaben und Lernende für die Prüfungsvorbereitung auf, schien trotz allgemeiner, aber vager Vermutungen viele TagungsteilnehmerInnen zu überraschen.

Ein anderer, zumindest für mich sehr aufschlussreicher Punkt war, wie vermeintlich simpel das Vorgehen der ProjektmitarbeiterInnen im weiteren Verlauf war, um Lehrende nun im geplanten Programm dazu zu bringen, ihre Prüfungspraxis zu überarbeiten:

  • Lernziele im eigenen Modul – durch Austausch und Diskussion werden zunächst die Lernziele des eigenen Moduls bekannt und vertraut gemacht
  • Lernziele und Aufgaben in der Lehrveranstaltung – in einem nächsten Schritt lautet die Frage: „Gibt es in meiner Lehrveranstaltung dann Aufgaben, für die die in den Lernzielen formulierten Kompetenzen erforderlich sind?“
  • Lernziele und Aufgaben in der Prüfung – schließlich die Kernfrage: „Gibt es diese Aufgaben auch in meiner Prüfung?“

Methodisch gesehen mutet dieses initiale Vorgehen fast zu naheliegend an, als dass man fundierte Ergebnisse erwarten könnte. Scheinbar jedoch liegt gerade in einer derartigen Auseinandersetzung mit Prinzipien im Sinne des Constructive Alignment bereits ein Schlüssel zur weiteren Optimierung kompetenzorientierter Lehre und Prüfungen. Das Projekt „Herausforderung Prüfen“ sowie die dazugehörige Begleitforschung stellen augenscheinlich in dieser Form einen wichtigen Baustein für die Weiterentwicklung kompetenzorientierten Prüfens dar und liefern wegweisende Indizien für alle, die sich im hochschulischen Kontext mit Didaktik beschäftigen.

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Foto: nexus/HRK

Während der Vorbereitung auf die Tagung und schließlich auch in den nachmittäglichen Workshops in Duisburg wurde mir dagegen wiederholt bewusst, wie angreifbar und wenig belastbar Prüfungsergebnisse – aus Prüfungen welcher Form auch immer – eigentlich sind. Unabhängig davon, ob inhalts- oder kompetenzorientiert, mündlich oder schriftlich, mit Multiple Choice- oder offenen Fragen geprüft wird: Vergleichbarkeit, Nachvollziehbarkeit, Wiederholbarkeit kann in den seltensten Fällen gewährleistet werden. Wenn ich eine Lehrveranstaltung und die dazugehörige Prüfung dahingehend beurteilen soll, ob mit der gewählten Prüfungsform die Lernziele adäquat und valide erfasst werden können, und ob die Lernziele auch erreicht wurden, kann ich allenfalls Vermutungen anstellen, sofern kein standardisiertes Messinstrument zugrunde liegt. Entsprechend lassen sich die Prüfungsergebnisse und damit einhergehend Rückschlüsse auf erreichte Lernziele nur auf subjektiver und situativer Ebene erklären. Zahlreiche empirische Befunde bestätigten in der Vergangenheit, dass konventionelle Leistungsmessungsformen kaum klassischen Gütekriterien standhalten können (zusammenfassend hierzu u.a. Ingenkamp & Lissmann (2008)).

Die Chance des kompetenzorientierten Prüfens sehe ich hier vor allen Dingen darin, sich mit großer Sorgfalt daran zu machen, Lernziele präzise zu formulieren und durch ein möglichst konkret beschriebenes Verhalten zu operationalisieren, das schließlich wiederum so gestuft werden muss, dass auch verschiedene Bewertungen zulässig sind. Diese Herausforderung zur Gründlichkeit nehme ich in der breiten Diskussion bislang leider nur wenig wahr. Gleichzeitig halte ich diese allgemeine Problematik einer jeden Leistungsüberprüfung für sehr ausschlaggebend, wenn Prüfungen Aussagen treffen sollen über Lernstände, Vergleichbarkeit, Fortschritt, Potenziale usw. Ausgehend von der ganz grundlegenden Annahme und dem Wunsch, fair und transparent in seiner Leistung beurteilt zu werden, hoffe ich, dass dieser Gedanke in nächster Zukunft Einzug in die Diskussion und Bearbeitung kompetenzorientierten Prüfens findet. Erste Impulse dazu liefert meines Erachtens die oben genannte Untersuchung der TUM School of Education. Der lesenswerte Projektbericht zu „Herausforderung Prüfen“ ist hier zu finden.

Quellen:

  • Ingenkamp, K. & Lissmann, U. (2008). Lehrbuch der Pädagogischen Diagnostik. Weinheim: Beltz.
  • Bauer, J., Prenzel, M., Schindler, C., Schlomske-Bodenstein, N., Schulz, F. & Strasser, A. (2015). Herausforderung Prüfen: Entwicklung und Evaluation eines Qualitätsentwicklungsprogramms für Lehrende an Hochschulen. München: ohne Verlag.