Was machen Sie eigentlich den ganzen Tag, Herr Glombitza-Cevey?
Ich bin seit 2014 in Hohenheim, und für das Projekt LEAP verantwortlich. LEAP steht für „Lehrentwicklung: Angebote für Professorinnen und Professoren“ und ist ein Kooperationsprojekt, das die Universitäten Hohenheim und Tübingen für das Hochschuldidaktikzentrum Baden-Württemberg (HDZ) durchführen. Projektleiter ist Herr Professor Kruse. Ziel des Projekts ist es, ein hochschuldidaktisches Programm speziell für die Zielgruppe zusammenzustellen, das den besonderen Anforderungen und Bedarfen von Professorinnen und Professoren gerecht wird.
Die Idee zum Projekt entstand aus der langjährigen Erfahrung, dass die Zielgruppe der Professorinnen und Professoren nur zu sehr geringem Anteil von hochschuldidaktischen Maßnahmen profitiert. Es gibt ja einerseits im HDZ ein sehr reichhaltiges und auch erfolgreiches hochschuldidaktisches Angebot, das alle Baden-Württembergischen Landesunis gemeinsam bestreiten, und das sich an Lehrende aus allen Statusgruppen richtet. Professorinnen und Professoren nehmen allerdings nur zu einem sehr geringem Anteil daran teil. Die Gründe für die geringe Teilnahme sind vielfältig und teils individuell (und auch nicht auf Baden-Württemberg beschränkt, vgl. Wildt 2009: 226), am häufigsten wird jedoch angeführt, dass bestehende Angebote des HDZ von Professorinnen und Professoren als nicht passend wahrgenommen werden.
So sind viele Workshops im typischen zweitägigen Format aus Zeitgründen für viele Professorinnen und Professoren nur schwer in den Alltag zu integrieren. Etliche Workshop-Termine liegen im Semester, und kollidieren mit der eigenen Lehrverpflichtung. Darüber hinaus wird das Zertifikatsprogramm – auch wenn es ausdrücklich alle Statusgruppen ansprechen soll – von vielen schwerpunktmäßig als Fortbildungsmöglichkeit für Lehrende in der Qualifikationsphase betrachtet, was mit dem professoralen Selbstverständnis als VertreterIn des Faches und InhaberIn der „venia legendi“ nicht im Einklang steht. Während Professorinnen und Professoren in der eigenen Arbeitsgruppe die Teilnahme am Zertifikatsprozess etwa Promovenden und Habilitanden empfehlen, wird das Angebot von ihnen selbst häufig nicht wahrgenommen.
Worin unterscheiden sich die Bedürfnisse von Professoren und Professorinnen von denen anderer Lehrender, und was ist die Herangehensweise im Projekt LEAP?
Wie bereits erwähnt, haben Universitätprofessorinnen und -professoren für ihren spezifischen Fachbereich die „venia legendi“ inne – die Erlaubnis selbständig zu unterrichten, wissenschaftliche Arbeiten anzuleiten und Prüfungen abzunehmen. Voraussetzungen dafür sind die Habilitation und die Berufung. Hier ist festzuhalten, dass beide Prozesse in der Regel keine obligatorischen hochschuldidaktischen Komponenten enthalten. Die Auswahlkriterien in Berufungsprozessen beziehen sich primär auf Forschungsleistungen. Für die Beurteilung der Lehrqualität bestehen bisher keine allgemein akzeptierten Standards, und sie ist nicht zuletzt aus diesem Grund bestenfalls ein nachgeordnetes Auswahlkriterium in Berufungsprozessen, das höchstens „ceteris paribus“ in Betracht kommt: „[…] dann nämlich, wenn sich mit den Forschungsleistungen keine Berufungsentscheidungen differenziert begründen lassen“ (Wildt 2009). Gleichzeitig haben jedoch Professorinnen und Professoren besonderes Gewicht und besondere Verantwortung bei der Curriculumentwicklung, d. h. bei der Entwicklung und Weiterentwicklung von Studiengängen, insbesondere im Rahmen des Bologna-Prozesses. Sie nehmen hier vielfältige Leitungs-, Steuerungs- und Managementfunktionen wahr, und sind dadurch in aller Regel zeitlich stark beansprucht. Die genannten Aufgabenfelder lassen einen erhöhten Bedarf an Unterstützung und Weiterbildung erwarten, jedenfalls dann, wenn diese Funktionen nicht lediglich nach dem Muster des „learning-by-doing“ ausgefüllt werden sollen.
Um den besonderen Ansprüchen, die sich aus dieser Konstellation ergeben, gerecht zu werden, wurden im Projekt LEAP besondere Gelingensbedingungen für hochschuldidaktische Angebote an Professorinnen und Professoren formuliert, und für unterschiedliche Handlungsfelder der Lehrentwicklung ausdifferenziert. Solche Handlungsfelder sind etwa die Erweiterung des eigenen Lehr-Lernwissens, die Einholung diskursiver Rückmeldung über die eigene Lehre, oder lösungsorientierte Individualberatung zu konkreten Herausforderungen. In der aktuell laufenden Pilotphase testen die LEAP-Mitarbeiter besonders erfolgversprechende Formate, die sich aus den unterschiedlichen Handlungsfeldern ergeben. In Hohenheim entwickle und teste ich beispielsweise Angebote, die einen besonders niederschwelligen Zugang zur Hochschuldidaktik bieten (z. B. im Rahmen eines „Lehr-Lunch“, oder in Form von kürzeren hochschuldidaktischen Impulsen mit der Möglichkeit einer individuell planbaren Vertiefung), solche, die besonders flexibel gestaltet sind (zeit- und ortsunabhängig verfügbare Online-Materialien), oder solche, die eine passgenaue Erarbeitung individuell zugeschnittener Problemlösungen ermöglichen (Einzelcoaching oder Gruppencoaching z. B. für Studiengänge).
Zum Ende des Projekts werden die Erfahrungen an den beiden durchführenden Universitäten (Hohenheim und Tübingen) zu einem Pool an Formaten, Materialien, Methoden und Erfahrungen gebündelt, der allen neun hochschuldidaktischen Arbeitsstellen im Netzwerk des HDZ als Ressource und Ausgangspunkt zur Weiterentwicklung zur Verfügung steht.
Literatur:
Wildt, Johannes. „Ausgelernt? Professor/innen im Prozess der Professionalisierung.“ Organisationsberatung – Supervision – Coaching 16, S. 220–227.