16 Feb

Wie prüft man „kompetenzorientiert“?

Im Zuge des Bologna-Prozesses kommt der Kompetenzorientierung grundsätzliche Bedeutung zu, mit dem Ziel, die Berufs- und Beschäftigungsfähigkeit der Studierenden zu erhöhen. Kompetenzorientierte Lehre erhebt den Anspruch, dass Studierende über den Wissenserwerb hinaus Fähigkeiten und Fertigkeiten entwickeln, ihr Fachwissen problembezogen, methodisch und im sozialen Austausch anzuwenden. Die Einlösung dieses Anspruchs erfordert in der Praxis einen Perspektivwechsel hin zu studierendenzentrierten Lehr-/Lernprozessen („shift from teaching to learning“): Studiengänge, Module und Veranstaltungen sind nicht mehr in erster Linie über Inhalte eines Fachgebiets zu definieren, sondern dadurch, was Studierende nach erfolgreichem Abschluss können sollen. Dieser Perspektivwechsel stellt besondere Anforderung an die Prüfungspraxis, denn es gilt, nicht allein gelerntes Wissen abzuprüfen, sondern das Vorhandensein komplexer fachbezogener und überfachlicher Kompetenzen zu beurteilen, und Studierenden fachliche Rückmeldung zu ihrer Kompetenzentwicklung zu geben.

Gestaltung kompetenzorientierter Prüfungen

Prüfungsaufgaben und -formen erfüllen dann den Anspruch der Kompetenzorientierung, wenn sie eng auf die Kompetenzen, die geprüft werden sollen, abgestimmt sind. Lautet beispielsweise eine Zielsetzung, dass Studierende eigenständig kleinere Forschungsprojekte durchführen können, kann dies anhand eines Projektberichts zu einem eigenständig durchgeführten Projekt geprüft werden. Grundsätzlich sollte bedacht werden, inwieweit eine Prüfungsaufgabe kontext- oder anwendungsspezifisch gestaltet wird und wie stark die Realitätsnähe und die geforderte Transferleistung ausgeprägt sind; außerdem, welcher Komplexitätsgrad (benötigte Lösungselemente, Arbeitsschritte) angemessen ist, und wie offen die Aufgabe in Bezug auf Ausgangssituation und mögliche Lösungswege angelegt ist (vgl. Schaper et al 2013, S. 30).

Ein Beispiel, wie dies konkret realisiert werden kann, liefert Frau Professor Dr. jur. Escher-Weingart, Institut für Rechts- und Sozialwissenschaften der Uni Hohenheim:

„In der Veranstaltung ‚Einführung in das Zivilrecht‘ soll das Verständnis für zivilrechtliche Grundkenntnisse vermittelt werden. Ziel der Veranstaltung ist es, daß die Studierenden später in der Praxis mit einfachen zivilrechtlichen Problemen umgehen können. Daher wird in der Prüfung auch nicht einfach Wissen abgefragt, sondern an Hand einer Fallbearbeitung überprüft, ob die Studierenden die Kompetenz erlangt haben, aus einem praktischen Zusammenhang auf ein rechtliches Problem zu schließen und dieses einer Lösung zuzuführen.

Voraussetzung dafür ist die Umsetzung des Erlernten auf die Praxis und damit die Anwendung von Schlüsselkompetenzen wie strukturiertem Arbeiten. Die Form der Prüfung als Fallbearbeitung macht zwar für den Lehrstuhl viel Arbeit. Aber für die Studierenden ist in Ihren späteren Arbeitsalltag die Fähigkeit hilfreich, gelerntes Recht auch umzusetzen. Bei anderen Prüfungsformen kommt es oft dazu, daß die Rechtsbegriffe nur auswendig gelernt und nach der Klausur wieder vergessen werden. In diesem Fall wäre aus meiner Sicht die Vorlesung nutzlos.“

Weiterbildung und Unterstützung zum kompetenzorientierten Lehren und Prüfen

Ziel kompetenzorientierter Prüfungen sollte es sein, in der Prüfungssituation eine Begegnung auf Augenhöhe zu ermöglichen. Insbesondere offene, realitätsnahe kompetenzorientierte Prüfungsformen erfordern daher gegenüber „klassischen“ Wissensprüfungen ein Umdenken bezüglich der Prüferrolle. Für die Lehrenden bedeutet die Kompetenzorientierung „eine Erweiterung des didaktischen Handlungsrepertoires […], das sie befähigt, über Instruktion hinaus verstärkt (Lern-) Beratungs- und Betreuungsaufgaben zu übernehmen“ (Paetz et al., 2011, S.31). Das hochschuldidaktische Programm des HDZ bietet gezielte Weiterbildungsmaßnahmen an, um Lehrende für diese Herausforderungen zu rüsten. Darüber hinaus stehen in Hohenheim Beratungsangebote der Arbeitsstelle Hochschuldidaktik zur Verfügung.

Passende Workshopangebote aus dem aktuellen HDZ-Programm:

Anmelden 19.03.2015 – 20.03.2015 HO-15-05 Kompetenzorientiert mündlich und schriftlich Prüfen Modul II, TB 7 Hohenheim PD Dr. Ulrike Hanke
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25.11.2015 KN-15-12 Lehrveranstaltungen kompetenzorientiert planen Modul II, TB 3 oder 4 Konstanz PD Dr. Ulrike Hanke
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14.10.2015 – 15.10.2015 S-15-14 Kompetenzorientiert Prüfen Modul II, TB 7 Stuttgart Dr. des. Dorothea Kunz
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10.12.2015 – 11.12.2015 FR-15-16 Kompetenzorientiert prüfen und fair bewerten Modul II, TB 7 Freiburg Dr. Andreas Müller
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17.12.2015 HD-15-31 Was haben Sie gelernt? Kompetenzorientierte Prüfungen entwickeln Modull II, TB 5 oder 7 Heidelberg Dipl.-Päd. Stefanie Maria Lorenz

Literatur:

Schaper, N., Hilkenmeier, F. & Bender, E., (2013). Zusatzgutachten zum Fachgutachten zur Kompetenzorientierung in Studium und Lehre – Umsetzungshilfen für kompetenzorientiertes Prüfen.

Paetz, N., Ceylan, F., Fiehn, J., Harteis, C., & Schworm, S. (2011). Kompetenz in der Hochschuldidaktik: Ergebnisse einer Delphi-Studie über die Zukunft der Hochschullehre. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.

Links: