Coaching an der Hochschule: Eindrücke von der Tagung „Coaching und Mee(h)r“ auf Sylt
Vom 25. bis 28.11. fand auf Sylt die Tagung „Coaching und Mee(h)r“ statt. Sie wurde veranstaltet vom Kompetenzzentrum Hochschuldidaktik für Niedersachsen und beschäftigte sich mit der Frage, wohin sich das Format „Coaching“ im Hochschulbereich entwickelt. Der Fokus der Mehrzahl der Teilnehmenden und der angebotenen Workshops lag auf Coachingangeboten für die Zielgruppe Professorinnen und Professoren zu Fragen der Lehrgestaltung und –entwicklung.
Der Autor besuchte die Tagung im Rahmen des Projekts „Lehrentwicklung – Angebote für Professorinnen und Professoren“ (LEAP, 2014-2017). Das Projekt entwickelt an den Universitäten Hohenheim und Tübingen ein hochschuldidaktisches Programm für das Hochschuldidaktikzentrum Baden-Württemberg (HDZ), das speziell auf diese Zielgruppe zugeschnitten ist.
„Coachingboom“ durch lehrbezogene Projekte
Im Zuge des „Qualitätspakts Lehre“ und anderer lehrbezogener Projektförderlinien hat das Format „Coaching“ an Hochschulen in den letzten Jahren einen regelrechten Boom erlebt. Dabei kommen interne, an der Hochschule fest angestellte Coaches ebenso zum Einsatz wie externe Freiberufler, die über einen von der Hochschule gepflegten „Coachingpool“ abgerufen werden. Unter den Professor/innen ist die Gruppe der Neuberufenen sicherlich die am „flächendeckendsten“ mit Coachingangeboten versorgte – vielerorts nicht (nur) durch die Hochschuldidaktik, sondern (auch) durch Einheiten der Personalentwicklung, deren Angebote jedoch nur im Ausnahmefall auf Lehrentwicklung abzielen. Es zeigte sich auch, dass an vielen deutschen Universitäten und Fachhochschulen „Coaching“ auch noch für diverse andere Zielgruppen angeboten wird. Zu nennen sind hier etwa spezielle Angebote für Lehrende mit besonderen Aufgabenbereichen (Studiendekan/innen, Dekan/innen, etc.), Coachings für Wissenschaftliche Mitarbeiter/innen, Promovierende, Post-Docs und Habilitand/innen, als auch Coaching für Studierende. Je nach Zielgruppe und Träger des Angebots stehen mitunter Führungsfragen oder Fragen der Karrierreentwicklung im Fokus. Coachingangebote für Studierende sind als „Lerncoaching“ auf die Steigerung der Studierfähigkeit und den Erwerb von Schlüsselqualifikationen ausgerichtet. Ein Beispiel für eine besonders tiefgreifende Integration von Coachingangeboten in den Lehrbetrieb liefert die „Coachinghochschule“ HAW (Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg), die unter dem Motto „Coaching – Türöffner für eine lebendige Lehr- und Lernkultur“ im Rahmen eines Qualitätspaktprojekts „[…] bisher nahezu vierzig Prozent der Lehrenden […] motiviert [hat], an einem Coaching teilzunehmen“ [1].
Ist immer Coaching drin, wo Coaching draufsteht?
In den Diskussionsrunden und Plenarsitzungen der Tagung stellte sich heraus, dass das Angebot an Maßnahmen unter dem Begriff „Coaching“ recht breit und heterogen ist. Dabei war nicht immer klar, ob die Ausgestaltung der jeweiligen Angebote einem „harten“ Coachingbegriff folgt (ob beispielsweise das „Problem“ vom Coachee selbst formuliert wird, und in einem Prozess, den der Coach mitgestaltet, mit den eigenen Mitteln des Coachees gelöst wird), oder ob es sich nicht eher um „coachingähnliche Fachberatungsprozesse“ handelt, bei denen vornehmlich der fachlich-pädagogische Input der Hochschuldidaktiker zum Tragen kommt. Es ist zu vermuten, dass einigen Coachingangeboten letztlich etablierte hochschuldidaktische Formate zugrundeliegen (etwa „Praxisberatung mit Hospitation“, „kollegiale Beratung“), denen ein für attraktiver gehaltenes Etikett („Lehrcoaching“, „Gruppencoaching“) angeheftet wird.
Die Rolle der Coaches in der Hochschule als Institution und Organisation
Ein spannendes Diskussionsthema war die von den Coaches selbst wahrgenommene bzw. ihnen zugedachte Rolle an Hochschulen. Coaches finden sich hier oftmals im Spannungsfeld zwischen der „Bildungsinstitution Hochschule“ mit ihrem ideellen Forschungs- und Lehrauftrag, und der konkreten „Organisation Hochschule“ mit ihren jeweiligen örtlichen Verwaltungsgegebenheiten und -abläufen. Je nachdem, wo sich Coaches hier verorten, ergeben sich Fragestellungen nach dem konkreten Auftrag: geht es etwa in erster Linie darum, die Auswirkungen von als problematisch erlebten Rahmenbedingungen (gestiegene Studentenzahlen, hohes Lehrdeputat, mangelhafte Raumausstattung, steigende Verwaltungsbelastung) „abzufangen“ und somit den „Leidensdruck“ beim Lehrpersonal zu mildern? Oder verstehen sich Coaches als Teil der „Organisationsentwicklung“, systematisch eingebunden in die Qualitätssicherungsabläufe und damit maßgeblich an weiteren Justierungsprozessen beteiligt? Letzteres würde sich empfehlen, da die Coaches über tatsächliche, wiederkehrend und gebündelt auftretende Beratungsanliegen bei den Lehrenden zweifellos ausgezeichnet Bescheid wissen. Diese Erfahrungsbasis könnte etwa genutzt werden, um bedarfsgerechte Workshopangebote zu entwickeln, die von den etablierten hochschuldidaktischen Abteilungen kosteneffizient umgesetzt werden können. Aber lässt sich das Wissen der Coaches für die Organisationsentwicklung nutzen, ohne Vertraulichkeitspflichten gegenüber den Coachees zu verletzen? Wie weit darf etwa eine systematische Evaluierung von Coachingangeboten gehen? Und nicht zuletzt: haben die Coaches selbst ein Interesse daran, diese Informationen weiterzugeben?
Wie geht es weiter?
Mit der Thematik verknüpft ist auch die Abschlussfrage, die sich den Teilnehmern stellte – und die bei allem Optimismus letztlich offen blieb: handelt es sich bei den zahlreichen während der Tagung vorgestellten und diskutierten Coachingangeboten um „Strohfeuer“, die mit dem Auslaufen der Projektförderung verglimmen? Oder etablieren sie sich über die Zeit des „Qualitätspakts Lehre“ hinaus – neben existierenden Workshopangeboten – als feste Bestandteile des „hochschuldidaktischen Buffets“?