15 Mrz

Lehrpersönlichkeits-Coaching IV: Wie ist mein Rollenverständnis als Lehrende(r)?

„Bin ich in erster Linie eine Wissenvermittlerin?“, hat sich Frau Kunterbunt, unsere (imaginierte) Klientin im dritten Beitrag der Serie zum Lehrpersönlichkeits-Coaching gefragt. „Oder als was sehe ich mich noch, wenn ich lehre?“, will sie wissen. Neugierig, mehr über das Rollenverständnis von Frau Kunterbunt zu erfahren, schlage ich ihr eine Selbsterforschungsreise auf ihrer ganz persönlichen Lehrenden-Insel vor. Im Hinterkopf habe ich hierbei noch, was ich beim Interview mit dem Lehrpersönlichkeits-Ich von Frau Kunterbunt beim letzten Mal erfahren hatte, nämlich dass Angst die stärkste, wenn auch nicht die häufigste Emotion beim Lehren ist. Bevor ich ihr das Schaubild mit den unterschiedlichen (möglichen) Rollen zeige, bitte ich Frau Kunterbunt, bei sich selbst auf ihre erste Reaktion beim Lesen der Rollen zu achten, also auf ihre körperlichen und gefühlsmäßigen Reaktionen. Ich biete ihr an, diesen ersten affektiven Reaktionen gerne auch spontan Ausdruck zu verleihen, sei es verbal, sei es durch eine Grimasse oder eine Handbewegung. Was erlebt nun Frau Kunterbunt, wenn sie „Führungskraft“, „Wissensvermittler“, „Dienstleister“, „Forscher“, „Moderator“, „Prüfer“, „Konfliktmanager“ und „Lernender“ liest?

Die Reaktionen sind sehr facettenreich: Von Freude, Stolz, Aufregung und Angst über Verantwortungsgefühl, Mißmut, Ablehnung zu Überraschung und Irritation. Wie die weitere Selbsterforschungsreise von Frau Kunterbunt ergibt, kennt sie einige der im Schaubild angeführten Rollen als Lehrende; andere gehören (bislang) nicht zu ihrem Rollenverständnis, sollen vielleicht auch nie dazugehören. Es liegt einzig bei Frau Kunterbunt zu entscheiden, ggf. mit einer professionellen Wegbegleitung herauszufinden, als was sie sich (nicht) sehen möchte, wenn sie lehrt, was sie (nicht) sein möchte. Ins Auge springt, dass die Rolle als „Wissensvermittlerin“ im Selbstverständnis von Frau Kunterbunt stark ausgeprägt ist; die (möglichen) Rollen der „Führungskraft“, „Forscherin“, „Konfliktmanagerin“ und „Lernende“ kein Bestandteil ihres Rollenverständnisses sind.

Beim gemeinsamen Blick auf die ausgefüllte Tabelle zum Rollenverständnis von Frau Kunterbunt gilt ihr Gesprächsbedürfnis zunächst der Rolle als Lernende. Als Lehrende auch Lernende zu sein, also auch Lernende sein zu dürfen, das sei völlig neu. Vom Studium her kenne sie diese Rolle, oder auch vom E-Learning-Qualifizierungsprogramm. Sobald sie jedoch „vor den Studis“ stehe, da habe sie schon den Anspruch an sich, alles zu wissen. Ich spüre ein beklemmendes Gefühl in der Brust, als läge ein schwerer Steinbrocken auf mir, und nähme mir die Luft zum Atmen. Diese körperlichen und gefühlsmäßigen Reaktionen benennend, schaue ich Frau Kunterbunt fragend an. Sie kennt diese Empfindungen. Die „beste Medizin“ sei es, sich „super gut vorzubereiten“. Mir schießt das Bild einer Reiseapotheke durch den Kopf, in der es neben der bereits bekannten und bewährten Medizin und den Goldtalern aus Frau Kunterbunt’s Schatztruhe, die ich beim letzten Gespräch schon kennenlernen durfte, noch Platz für neue Utensilien gibt. Ich teile dieses Bild mit ihr und mache ihr den Vorschlag, die heutigen Erkenntnisse und Erfahrungen erstmal auf sich wirken zu lassen und dann zu schauen, ob es in ihr das Bedürfnis gibt, ihr Reservoir und damit auch ihr Rollenhandeln als Lehrende noch zu erweitern. Meine Vermutung ist, dass ein wichtiger Schlüssel zum (noch) freieren Atmen in der Stärkung der Rollensegmente der „Lernenden“, der „Führungskraft“ und der „Konfliktmanagerin“ liegt.